Erinnerungen und Vorgeschichte zur Gründung des Turn- und Sportvereins Almena…
Es war der erste Freitag im August 1921, ein Tag, dessen Vorgänge mir immer in Erinnerung bleiben werden. Als ich am Nachmittag in die Gastwirtschaft hier in Fütig kam, traf ich dort einen guten Bekannten, Willi Messmann aus Lage. Wir begrüßten uns, und Herr Messmann erzählte mir, dass er auf einer Geschäftsreise wäre und die Gastwirte im Extertal besuche, um ihnen Zigarren und Rauchwaren zu verkaufen. Herr Messmann bat mich, doch abends in die Gastwirtschaft Korf in Almena zu kommen.
Am Abend bin ich dann mit Herrn Lampe zu der Gastwirtschaft Korf gegangen. Dort trafen wir noch Gustav Kleindiek und Fritz Grote, beide waren bei uns (in der Stuhlfabrik Lampe & Kruse in Fütig, siehe Briefkopf unten) beschäftigt. Herr Messmann war auch schon anwesend. Wir setzten uns alle an einen Tisch und unterhielten uns über die Geschehnisse des Tages, und so kamen wir auf die Bekanntschaft in Lage und damit auch auf die Turnerschaft. Dann meinte Herr Messmann, wir könnten doch eine Turnerschaft in Almena ins Leben rufen. Herr Korf fasste diesen Gedanken gleich auf, holte Papier und Schreibzeug herbei, und das Gründungsprotokoll wurde aufgezeichnet. Es wurde darin festgelegt, den Verein im Sinne Vater Jahns zu führen und in seinem Geiste die Jugend und alle, die im Turnen und den körperlichen Erziehungen ihre Ideale sahen und suchten, zu sammeln und sie in der Turnerschaft zu vereinen.
Unsere Losung sollte immer „Frisch-Fromm-Fröhlich-Frei“ sein, das Motto des Turnvaters Jahn aus Berlin. Das Protokoll wurde unterzeichnet von: Fritz Grote, Friedrich Korf, Gustav Kleindiek, Gustav Lampe und Willi Kruse. Von einer Vorstandswahl wurde an diesem Abend vorläufig Abstand genommen, jedoch erklärte sich Gustav Lampe bereit, den Vorsitz vorerst zu übernehmen. Gustav Kleindiek übernahm das Schriftliche, Fritz Grote wollte die geldlichen Sachen regeln. Ich selber konnte mich nicht festlegen, weil meine Tätigkeit mehr im Reisen lag und ich auf längere Zeit auswärts weilte.
Die Beschaffung eines Reckes habe ich dann übernommen. Schlossermeister Wilhelm Becker aus Lüdenhausen hat es angefertigt. Wir haben es dann nach etwa vier Wochen mit einem Pferdegespann abgeholt. Der Preis war glatte 100.000 Deutsche Reichsmark. Den Betrag habe ich bezahlt. Friedrich Korf erklärte sich bereit, dass das Reck auf seinem Saale aufgebaut werden konnte. Das Holz für einen Barren haben wir uns in den schönen Abendstunden besorgt. Gustav Kleindiek, Fritz Grote und andere Turnbrüder haben es hier unten in Fütig zu einem sehr schönen Barren fertiggemacht. Die Eisenteile hierfür hat auch Schlosser-meister Wilhelm Becker aus Lüdenhausen angefertigt, und diese kosteten 15.000 bis 20.000 Deutsche Reichsmark.
Mittlerweile waren auch die Matten, ich meine, es wären drei gewesen, eingetroffen. Sie wurden von Spenden und Beiträgen bezahlt. Die Beiträge waren nicht festgelegt, jedem stand es frei, einen Beitrag zu leisten, in welcher Höhe auch immer. Herr Korf hatte die Matten durch seine Lieferfirmen besorgen können. Es war in dieser Zeit nicht leicht, solche Geräte herbeizuschaffen, denn unsere Reichsmark stand in dieser Zeit auf reichlich dehnbarem und wackeligem Untergrund.
Mit weiteren notwendigen Sachen und Gegenständen, die inzwischen besorgt oder hergestellt waren, konnte der Turnbetrieb nun an die turnerische Arbeit gehen. Gustav Kleindiek und Fritz Grote gaben ihr Bestes, eine Turnriege aufzustellen, die sich sehen lassen konnte. Inzwischen waren viele junge Leute zu den Übungs-abenden gekommen und fanden Freude am sportlichen Geist und Turnen.
Es kam auch die Zeit, wo es galt, eine Schülergruppe aufzubauen. Es dauerte auch nicht lange, da waren so viele zusammen, dass wir dazu übergehen konnten, mit den Schülern einen Reigen einzuüben. Diese Aufgabe wurde mir zuteil, und in meinen freien Stunden haben wir dann den Reigen „Das Wandern ist des Müllers Lust“ geübt. Wir kamen mit unseren Übungen gut voran, obwohl wir in den Wintermonaten keinen geheizten Saal hatten. Trotzdem wurde kräftig weitergeübt, so dass wir nun daran dachten, unser erstes Stiftungsfest zu arrangieren. Wir kamen darin überein, unser Fest am ersten Ostertag 1922 im Saale Korf zu veranstalten.
Die Turnleistungen, die Gustav Kleindiek und Fritz Grote mit ihren Riegen darboten, waren sehr gut und wurden von den Anwesenden mit großem Beifall belohnt. Auch der Reigen, den die Kinder zeigten, gab zu erkennen, dass sie mit großer Begeisterung bei ihrer Sache waren und gut geübt hatten. Der lang anhaltende Beifall war doch ihr schönster Lohn.
Durch dieses Fest hatten wir viele Freunde und Gönner gefunden, und die dann etwa im Mai 1922 stattfindende Mitgliederversammlung zeigte, dass die Geldsorgen einigermaßen überwunden waren. In dieser Versammlung stellte Gustav Lampe seinen Posten als Vorsitzender aus Zeitmangel zur Verfügung. Schneidermeister Wilhelm Bierhenke wurde zum Vorsitzenden gewählt, Gustav Kleindiek und Fritz Grote wurden offiziell in ihren Ämtern bestätigt. Auch in dieser Versammlung konnten keine festen Sätze als Beiträge bestimmt werden. Wenn ich mich nicht irre, hatte man als vorläufige Norm von 50.000 Reichsmark gesprochen, denn unsere liebe Reichsmark lief Sachleistungen schneller davon als die neuen Geldscheine gedruckt werden konnten. (Preise im Jahre der Inflation 1923: 1 Ei 800 RM, 1 Pfd. Rindfleisch 12.000 RM, 1 Pfd. Kaffee 36.000 RM, am 15. 11. 1923 notierte der US-Dollar auf 4.200.000.000.000 Reichsmark, Anm. d. Verfassers.)
Die Mitgliederzahl war um diese Zeit auf etwa 25 Aktive und 20 bis 25 Schüler gestiegen, außer den Aktiven hatte der Turnverein viele Gönner und Freunde, die die Aktiven sachlich und mit viel Idealismus unterstützten.
Erst später, wohl um 1923, bildete sich eine Gruppe junger Sportler zu einer Fußball-Abteilung. Diese Gruppe soll später auch einmal ein Verein für sich gewesen sein. Diese Entwicklung habe ich nicht eindeutig verfolgt und kann daher keine genauen Angaben darüber machen. Die Spiele der Fußballer wurden in der ersten Zeit auf dem Felde von Fritz Nottmeier im Papenbruch (heute hinter dem Bükerfeld) ausgetragen. Ich weiß noch, dass der Silixer Fußballclub an einem eisigen Wintertag als Gegner zu Gast war. Rudolf Schröder war ein begeisteter Fußballspieler. Die Spiele waren meist sehr interessant und wurden von den Zuschauern mit viel Beifall belohnt.
Soweit meine Erinnerungen zur Gründung des Turnvereins Almena, die ich hier mit bestem Gewissen und der Wahrheit entsprechend dargelegt habe:
Willi Kruse, Extertal-Almena Nr. 118, den 2. Januar 1971.